Ab dem 10.11.2023 ruft die Gewerkschaft ver.di erneut zu einem viertägigen Streik im Einzelhandel und in ausgewählten Großhandelsbetrieben in Berlin und Brandenburg auf. Der Streik steht unter dem Eindruck einer beispiellosen Eskalation in den Tarifverhandlungen von Seiten der großen Konzerne. Die Arbeitgeberverbände haben bundesweit alle Tarifverhandlungen abgesagt und fordern ein Spitzengespräch mit ver.di am offiziellen Verhandlungssystem vorbei.
„Die Arbeitgeber wissen genau, dass in einem Spitzengespräch kein Tarifabschluss erfolgen kann. Spitzengespräche zu fordern statt zu verhandeln, ist ein durchschaubarer Versuch, den Tarifabschluss weiter zu verzögern.“ erklärt Conny Weißbach, ver.di Fachbereichsleiterin Handel für Berlin und Brandenburg.
In Berlin und Brandenburg hatte der Arbeitgeberverband "Handelsverband Berlin-Brandenburg" mit einer wahrheitswidrigen Aussage für großen Unmut unter den Beschäftigten gesorgt. In einem Interview wurde behauptet, ver.di habe einen Verhandlungstermin krankheitsbedingt abgesagt, ohne Alternativtermine anzubieten. Tatsächlich hatte ver.di dem Arbeitgeberverband jedoch bereits Mitte Oktober neue Verhandlungstermine vorgeschlagen, die der Verband allesamt ablehnte.
„Mit seiner wahrheitswidrigen Aussage wollte der Verband offensichtlich einen Abbruch der Verhandlungen vorbereiten und die Schuld dafür ver.di zuschieben. Fakt ist jedoch: die Verhandlungen und ein Tarifabschluss, der die massive Abwanderung aus dem Handel stoppt, werden ausgerechnet durch die großen Lebensmittelkonzerne blockiert. Am Ende führt dies zu einer weiteren Schwächung der klein- und mittelständischen Unternehmen “ erklärt Weißbach.
Zuletzt hatten die Arbeitgeber in den Verhandlungen in Baden-Württemberg eine Lohnerhöhung von 6% nach drei Nullmonaten in 2023 und weitere 4% in 2024, sowie eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von insgesamt 750 Euro (Teilzeit und Azubis anteilig) angeboten.
Bereits jetzt hat der Handel nach einer Untersuchung des arbeitgebernahen Ifo-Instituts große Probleme, den Fach- und Arbeitskräftebedarf zu decken. ver.di vermutet deshalb hinter der Blockade eines fairen Tarifabschlusses den Versuch, die Funktion des Tarifvertrags zu unterhöhlen. Wenn bei einem Tarifabschluss die tarifierten Löhne unterhalb dessen liegen sollten, was Unternehmen und Konzerne tatsächlich zahlen, verliert der Tarifvertrag seine regulatorische Funktion. „Die Beschäftigten würden dann nach dem Nasenprinzip bezahlt werden. Die aktuelle Strategie der Handelskonzerne kann man als den Versuch einer verdeckten Tarifflucht bezeichnen. Wir sind jederzeit verhandlungsbereit. Aber wir verlangen endlich ein Angebot, das für die Beschäftigten keinen Reallohnverlust bedeutet. Denn das in 2022 und 2023 durch die Inflation bereits verlorene Geld wird auch mit dem neuesten Angebot bei weitem nicht ausgeglichen“, erklärt Weißbach dazu.
Mit der Absage aller Verhandlungstermine im Einzelhandel versuchen die Handelskonzerne eine Einigung in einer der härtesten und schwierigsten Tarifrunde in diesem Jahr zu verunmöglichen. Sie provozieren damit Streiks im Weihnachtsgeschäft.
Organisatorische Hinweise:
Die Streikenden versammeln sich am 10.11.2023 zu einer Kundgebung am Wittenbergplatz Südpark auf der Seite des KaDeWe (Ansbacherstr. 26, 10789 Berlin)
Ab 10:45 Uhr können Interviews zur aktuellen Situation und den Hintergründen mit Beschäftigten und der Verhandlungsführer:in geführt werden.
Ab 11.15 Uhr Bildtermin mit anschließender Demonstration in Begleitung des „Inflationsdrachen“. Auf der Demonstration wird die Abwanderung der Beschäftigten aus dem Handel symbolisiert. Demoroute: Tauentzienstr. – Kurfürstendamm bis Joachimsthaler Str.