Die neue Koalition spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag für Streik als Grundrecht auch für Auszubildende aus und will deren Streiktage nicht sanktionieren. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat vor kurzem aber alle Berufsschulen angeschrieben, dass das Fernbleiben von der Berufsschule als unentschuldigte Fehlzeit von Berufsschüler*innen zu werten sei. Die Senatsverwaltung handelt damit gegen ihren eigenen Koalitionsvertrag, stiftet Verwirrung und schränkt faktisch das Streikrecht ein. Ver.di fordert die Senatsverwaltung zur Korrektur des Rundschreibens auf.
In dem Brief von Anfang Juni an alle Berliner Berufsschulen heißt es, die Berufsschule befähige „zur Ausübung eines Berufes und zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung.“ Im Ergebnis dürften Auszubildende daher an Streiktagen nicht ohne Weiteres der Berufsschule fernbleiben. Und weiter: „Bleibt eine Schülerin oder ein Schüler dennoch der Berufsschule fern, bedeutet dies in der Konsequenz, dass das Fernbleiben von der Berufsschule als unentschuldigte Fehlzeit zu werten ist.“
„Das aktuelle Schreiben führt zu einer faktischen Einschränkung des Streikrechts für Auszubildende. Streiks als unentschuldigte Fehlzeit von der Berufsschule werten zu wollen, ist darüber hinaus absurd. Streiken ist ein verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht, das selbstverständlich auch während des Berufsschulunterrichts gilt. In Tarifauseinandersetzungen lernen die Auszubildenden, wie sie sich für ihre gemeinsame Sache starkmachen. Demokratie muss man üben, und Streiks in Tarifauseinandersetzungen sind bester Demokratieunterricht“, sagt Benjamin Roscher, stellvertretender Landesbezirksleiter von ver.di Berlin-Brandenburg.
Umso absurder erscheint der Brief der Senatsverwaltung vor dem Hintergrund, dass sich der neue Senat gegen eine Benachteiligung von streikenden Azubis durch die Anrechnung von Fehlzeiten bei Streikteilnahme während des Berufsschulunterrichts ausgesprochen hat. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Streik ist ein Grundrecht, auch für Auszubildende. Dort, wo das Land Berlin Regelungsmöglichkeiten hat, werden Streiktage nicht auf die Fehlzeiten von Auszubildenden angerechnet.“
„In den zurückliegenden Monaten haben sich zahlreiche Auszubildende in Zeiten von hoher Inflation für eine total notwendige Erhöhung ihrer Vergütung starkgemacht und mit ihren eindrucksvollen Streiks die Blockadehaltung der Arbeitgeber aufgeweicht. Dafür dürfen sie keine Nachteile erfahren. Die entsprechende Senatsverwaltung muss ihren Brief zurückziehen und dafür sorgen, dass Streiktage nicht als unentschuldigte Fehltage zu werten sind“, sagt Lucas Krentel, der ver.di-Landesjugendsekretär.
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